Die Eisengießerei MeierGuss hat mitten in der Corona-Pandemie einen Genehmigungsantrag für eine enorme Ausweitung ihrer Produktion in der Innenstadt von Rahden (Landkreis Minden-Lübbecke) eingereicht. Von derzeit ca. 68.000 Tonnen soll die Produktion auf 100.000 Tonnen – also mit einer Steigerung von 47 % pro Jahr – hochgefahren werden, kündigt der Industriebetrieb an. Es soll zudem ein Nachtschichtbetrieb eingeführt werden, um zukünftig auch nachts den Kupolofen im Heißbetrieb nutzen zu können. Das Unternehmen begründet das Vorhaben lapidar mit Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China und Indien. Gegen das Vorhaben gibt es in der Region massiven Widerstand, denn es wird eine Zunahme von Lärm, Schadstoffausstößen und Verkehrsbelastungen erwartet.
„Diese geplante fast 50%-ige Produktionssteigerung und der Nachtschichtbetrieb sind ein Angriff auf die Gesundheit aller Menschen, die in der Umgebung leben und – dort teilweise auch im Home-Office arbeiten – aber vor allem auch ein Anrecht auf ihre verdiente Nachtruhe haben. Wir werden den nun gestellten Antrag auf Herz und Nieren prüfen lassen, um zu sehen, ob der geplante überdimensionierte Produktionsanstieg überhaupt mit geltendem Recht und den umgebenden Wohngebieten vereinbar ist“, kündigt die Vorsitzende des Aktionsbündnisses lebenswertes Rahden e.V. Marion Spreen an.
Als „denkwürdiges Timing“ bezeichnet es Spreen, dass MeierGuss gerade die für alle Menschen belastende Zeit der Corona-Pandemie nutzt, um ihren Antrag einzureichen: „So dürfen beispielsweise keine Treffen oder Veranstaltungen stattfinden, auf denen man sich über die Auswirkungen austauschen oder Experten zu dem Thema der Gesundheitsbelastungen durch Umweltemissionen einladen und hören kann. Wo man allerorten vom Zusammenhalt der Bevölkerung in den schwierigen Zeiten redet, reicht nun die Firma einen Antrag ein, den man guten Gewissens als „umstritten“ bezeichnen kann. Dieses Verhalten ist schon fragwürdig und der angekündigte Dialog mit den Nachbarn – in Form eines morgendlichen Briefeinwurfs – wirkt vor diesem Hintergrund schon etwas zynisch. Ein tatsächlicher Dialog sollte schon möglich sein und kann nicht in der Bereitstellung einer Website mit weichgespülten PR-Phrasen bestehen“, kritisiert Spreen die angekündigte Projektwebsite. Das Aktionsbündnis wird jetzt ihren Widerstand intensivieren.
„Dass in Zukunft alles besser wird, glauben die meisten Anwohner nicht mehr. Dafür wurde das Vertrauen in den letzten Jahren verspielt. Zu oft wurden Versprechungen gemacht, die leider nicht eingehalten wurden“, teilt Ortgies mit. „Vor ein paar Jahren wurde den Anwohnern gesagt, dass nur hin und wieder am Samstag gearbeitet wird, um die Produktionsspitzen abzufedern. Aus der Ausnahme der Samstagsarbeit ist leider eine Regel geworden.“
Besonders interessant ist aber auch, dass nun der Staplerverkehr plötzlich reduziert werden kann, wo die kreuzenden Stapler doch noch 2018 ein wichtiger Grund für die Werkstraße und die „Sicherheit“ der Schüler*innen war. Unklar ist auch, wie eine fast 50 %-ige Produktionssteigerung -angekündigten Emissionsschutzmaßnahmen hin oder her – zu einer Schonung von Umwelt und Klima und einer Win-Win-Situation führen soll. „Durch Innovation kann Deutschland punkten. Eine einfaches mehr, weiter und größer wird nicht weiterhelfen. Durch eine Erweiterung der Schwermetallindustrie würde Rahden die Chance verspielen, als Kleinstadt und Naherholungsgebiet für junge Familien und Senioren attraktiv zu bleiben. Es sei denn, man mag den Ruhrgebietscharakter mit nachts laufenden Öfen, Vibrationen und besonderen Geruch. Der neue Image-Slogan könnte dann lauten: „ Rahden – eine Stadt die niemals schläft“, befürchtet Ortgies.