Die möglichen gesundheitlichen Einflüsse in der Nachbarschaft von Schwerindustrieanlagen waren das Thema eines Online-Treffens des „Aktionsbündnisses lebenswertes Rahden“ am 02. Juni 2021. Bei dem über zweistündigen Austausch diskutierten etwa 30 Teilnehmer zusammen mit dem Osnabrücker Kinder- und Jugendarzt i.R. Dr. med. Thomas Lob-Corzilius, Facharzt für Allergologie, Pneumologie und Umweltmedizin sowie engagierter Mitarbeiter der gemeinnützigen Kinderumwelt gGmbH. Der Umweltmediziner mahnte in seinem Fachvortrag kontinuierliche Messungen an, denn gerade Feinstaub sei sehr gefährlich. Grundsätzlich sei der Ausstoß von Staub bekannt und rechtlich genehmigte Werte sollen eingehalten werden. Allerdings lassen die offiziell bekannten Daten der Firma MeierGuss derzeit keinen Rückschluss auf den besonders gefährlichen Feinstaub zu. Es werden nur die Gesamtwerte des Staubs angegeben, die unter dem gesetzlichen Grenzwert liegen.
Die Umweltbeeinträchtigungen durch Eisengießereien seien vor allem auf den thermischen Prozess und mineralische Zusatzstoffe zurückzuführen. Die Verbrennung von fossilem Kohlekoks führt zu Emissionen wie Stickoxid und Schwefeldioxid. Durch diese Prozesse würde Staub entstehen.
Je kleiner die Feinstaubpartikel – man spricht hier von den Feinstaubfraktionen PM2,5 und PM10 -, desto tiefer dringen sie in die Lungen ein, erläuterte der Umweltmediziner. Feinstaub, Stickoxid und Ozon reizen die Schleimhäute und führen zu Allergien, Entzündungen und Infektionen. Feinstäube lösen bei Menschen Herz-Kreislauf-Beschwerden, Krebs und Atemwegserkrankungen aus. Vor allem Kinder sind dabei besonders betroffen.
Wie hoch der Ausstoß von Feinstaub jetzt und insbesondere nach der massiven Produktionserweite-rung der Eisengießerei MeierGuss mitten in der Innenstadt von Rahden sein wird, ist nicht bekannt. Die nächste offizielle Luftqualitäts-Messstation des Umweltbundesamtes befindet sich in Bielefeld. Diesbezüglich sind Rahden und Umgebung ein großer weißer Fleck. Dr. med. Thomas Lob-Corzilius empfahl dem Aktionsbündnis daher sich einer bundesweiten Community anzuschließen, die mit Feinstaubsensoren Umweltdaten erhebt. (Link siehe unten).
„Wir bedauern es ausdrücklich, dass der Rahdener Bürgermeister Dr. Bert Honsel und der technische Leiter der Firma MeierGuss, Dr. Marc Mateika, sich trotz persönlicher Einladung weder zugeschaltet noch an der Diskussion beteiligt haben. „Es stellt sich hier die Frage, ob die Verfechter von Zahlen, Daten und Fakten sich nur für bestimmte Zahlen interessieren bzw. diese kennen wollen. Umfassende Informationen haben bisher eigentlich noch niemandem geschadet. Die medizinischen bzw. umweltmedizinischen Erkenntnisses hätten gerade ausgewiesenen Technikern eine erweiterte Sichtweise ermöglichen können“, erklärt hierzu Marion Spreen, die Vorsitzende des veranstaltenden Aktionsbündnisses. „Bisher gab es hierzu zumindest keine Aussagen von offizieller Seite. Der angekündigte Dialogprozess des Unternehmens MeierGuss scheint sich auf die Herausgabe von vorgefertigten Statements und Hochglanz-Werbebroschüren zu beschränken, denn einen direkten Austausch mit den Bürger*innen – also nicht hinter verschlossenen Türen – scheint man tatsächlich zu scheuen. Hier wurde die Möglichkeit des direkten Austausches schlichtweg verpasst und nicht wahrgenommen“, bedauert Marion Spreen. „Dass eine Veranstaltung auch in Zeiten von Corona möglich ist, haben wir mit unserem Online-Treffen bewiesen. Die gute Resonanz zeigt uns, wie wichtig dieses Thema vielen Rahdener Bürger*innen ist. Allerdings kann eine Online-Veranstaltung natürlich nicht ein Treffen in Präsenz ersetzen. Mehrere Bürger*innen wiesen in ihren anschließenden Anrufen darauf hin, dass sie gerne teilgenommen, aber leider nicht über das technische Rüstzeug verfügt hätten,“ so Marion Spreen. Hier werden wir am Ball bleiben und hoffen auf eine weiterhin positive Entwicklung der Corona-Situation, die uns das eventuell nachholen lässt.“
Das Aktionsbündnis will nun dem Rat des Umweltmediziners folgen und eigene Feinstaubmessungen in Angriff nehmen. „Wir sind dazu im Gespräch mit einem Umweltverband mit Sitz in Berlin“, erklärt Daniela Ortgies, die stellvertretende Aktionsbündnisvorsitzende. Eigene Messungen können dabei allerdings nur erste Hinweise liefern. „Im Prinzip braucht es amtliche Messstellen des Landesumweltamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) für den Bereich der Stadt Rahden. Das Aktionsbündnis fordert daher weiterhin die Einrichtung von dauerhaften Luft-Mess-Stationen für Grobstaub-, Feinstaub – und Ultrafeinstaubmessungen: „Wir fordern die Stadt Rahden in Ihrer Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Rahdener Bürger*innen auf, die Installation mehrerer Dauer-Mess-Stationen im Umfeld der Firma MeierGuss zu veranlassen und diese ebenfalls dauerhaft durch eine unabhängige amtliche Institution kontrollieren zulassen“, sagt Ortgies.
Vortrag Dr. med. Thomas Lob-Corzilius
https://www.aktionsbuendnis-rahden.de/wp-content/uploads/2021/06/Vortrag_Rahden_TLC.pdf