Die Eisengießerei MeierGuss in Rahden (Minden-Lübecke) plant eine massive Produktionserweiterung von 68.000 t/a auf 100.000 t/a. Der Gesetzgeber sieht für diesem Fall und bei Anlagen dieser Größe grundsätzlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vor. Diese fordert auch das Aktionsbündnis „lebenswertes Rahden“. Ziel einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist es, die Auswirkungen von geplanten Vorhaben auf die Umwelt frühzeitig zu erkennen und ihre Ergebnisse bei der Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens zu berücksichtigen. Abweichen könne man davon nur, wenn durch eine Vorprüfung des Einzelfalls keine „erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen“ festgestellt werden. Die Firma MeierGuss hat das Wuppertaler Ingenieurbüro Schwerter mit der Vorprüfung beauftragt. „Erwartungsgemäß kam man in der Untersuchung zu dem Ergebnis, dass eine UVP nicht notwendig ist. Doch der Teufel steckt im Detail“, meint Aktionsbündnissprecherin Marion Spreen: „Laut diesem Gutachten hätte die Produktionserweiterung und auch der nachtbetriebene Kupol-Ofen keinerlei Auswirkung auf die Menschen, Tiere und Natur in der Umgebung. In der 11-seitige Untersuchung haben wir aber Ungereimtheiten und möglicherweise sogar Unkorrektheiten entdeckt.“
So wurde die Entfernung der Fabrik zum Wasserschutzgebiet Wehe, aus dem das Trinkwasser für die Region gewonnen wird, mit „zirka 3,5 Kilometer“ angegeben. „Das ist so nicht korrekt“, sagt Spreen. Die Messung des Aktionsbündnisses ergab, dass das Wasserwerk in Wehe lediglich 2,47 Kilometer und die Grenze des Wasserschutzgebietes 2,06 Kilometer von der Schwerindustrieanlage entfernt ist und sich somit sehr wohl im Untersuchungsraum des Gutachtens befindet.
Insgesamt wurde in dem Vorprüfungsgutachten ein kreisförmiges Gebiet mit einem Radius von 2.250 m als Untersuchungsraum gewählt. Auch wurde in der Untersuchung angegeben, dass es in dem Gebiet zwar Fledermäuse im 800 Meter entfernten Kirchturm gäbe, die Fledermäuse und Schleiereulen, die sich in unmittelbarer Nähe von MeierGuss befinden, wurden aber gar nicht erwähnt. Auf einem 100 m entfernten Gehöft, befindet sich ein großer Baumbestand mit über 40 Bäumen . Dort befinden sich zahlreiche Fledermäuse. Auf dem Heuboden des Hauses nisten jedes Jahr Schleiereulen. Dieses Jahr sind 4 Jungvögel geschlüpft. Das Aktionsbündnis hat darüber bereits das Umweltamt des Kreises Minden-Lübbecke und den örtlichen Umweltverband in Kenntnis gesetzt.
Zudem wurde die Eisengießerei einfach als in „einem Gebiet ohne hohe Bevölkerungsdichte“ ansässig deklariert, ohne dies auf irgendeine Art und Weise zu belegen. Nun ist Rahden eine Kleinstadt mit ca. 15.500 Einwohnern. Die Firma MeierGuss befindet sich in der Innenstadt, direkt hinter dem Bahnhof. Nördlich, südlich und westlich befindet sich angrenzendes Wohngebiet. Die Firma befindet sich – gemäß Radius des Untersuchungsraums – mitten im Ort, wo der Großteil der Bevölkerung lebt. In diesem vorgegebenen Gebiet befindet sich auch das große Schulzentrum mit ca. 1000 Schülern. Zwischen dem urbanen Zentrum der Stadt Rahden mit der Fabrik und dem ländlich geprägten Umland wird in der Untersuchung offensichtlich nicht unterschieden. Dabei deklariert selbst das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) die Region als „Städtischen Kreis“. „Natürlich wird auch von einem „Industriestandort“ gesprochen, wohl wissend, dass es sich laut Flächennutzungsplan der Stadt Rahden immer noch um einen Bereich für gewerbliche Nutzung handelt,“ ergänzt Spreen.
„Die Tatsache, dass wir allein schon etliche Punkte gefunden haben, die zumindest neu überprüft werden müssen, lässt uns in der Summe erheblich an der Aussagekraft und Validität dieses Vorprüfungsgutachtens zweifeln. Betrachtet man darüber hinaus detailliert gerade jene Punkte, die sich auf die „Empfindlichkeit des Standortes“ beziehen und von einer UVP besonders untersucht werden müssen wie z. B. Umweltverschmutzung, Lärmaufkommen und Risiken für Wasser, Boden und Luft, dann sind die hier aufgeführten Evaluierungen und Abwägungen inklusive der dazugehörigen Gutachten tatsächlich sehr kritisch zu bewerten. Ich würde die Pläne nicht einfach so durchwinken“, sagt Marion Spreen, die selbst dreizehn Jahre Mitglied im Rat der Stadt Rahden war. In der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung wurde explizit gesetzlich verankert, dass wenn Ratsmitglieder in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung ihrer Pflicht gehandelt haben, sie persönlich haften, wenn eine Gemeinde infolge eines Beschlusses Schaden erlangt. In der Sitzung des Rahdener Bauausschusses am Mittwoch will das Aktionsbündnis seine Erkenntnisse erneut vorbringen, sobald eine Mehrheit der Ausschussmitglieder ihnen das Rederecht erteilt. „Es soll später keiner sagen, man habe nichts gewusst“, so Spreen: „Ob es später einmal zu Klagen gegen die Genehmigung kommt, kann man heute noch nicht abschätzen“.
Entfernung zum Wasserschutzgebiet (Auszug googlemaps)
Entfernung zum Wasserwerk (Auszug googlemaps)
BBSR: Raumabgrenzungen in Deutschland
Gemeindeverordnung des Landes NRW
Hinweis: Die Untersuchung „Auslegung Eisengiesserei Meier Kapitel 09 Unterlagen zur Umweltverträglichkeitsvorprüfung und Abfälle“ liegt dem Aktionsbündnis vor